Verkehrsrecht – Volle Haftung des Linksabbiegers

Für die Folgen eines Verkehrsunfalls hat der Linksabbieger, der die ihn gemäß § 9 III 1 StVO gegenüber dem Gegenverkehr treffende Wartepflicht missachtet hat, regelmäßig in vollem Umfang allein oder doch zumindest zum größten Teil zu haften. (amtlicher Leitsatz)

In einem kürzlich vom BGH entschiedenen Fall beabsichtigte der Kläger nach links abzubiegen. Dabei kam es zur Kollision mit dem von der Gegenrichtung kommenden, geradeaus fahrenden Fahrzeug des Beklagten. Das zuvor mit dem Fall befasste Oberlandesgericht (OLG) hatte die Haftung zu je 50 Prozent angenommen, weil der Beklagte entgegen § 37 Absatz 2 StVO bei „Gelb“ oder sogar bei „Rot“ in die Kreuzung eingefahren sei. Diese Haftungsverteilung fand nicht die Zustimmung des BGH.

Nach Meinung des BGH stellt es einen Verstoß gegen die Abwägungsgrundsätze dar, den Verkehrsverstoß des Beklagten ebenso schwerwiegend zu werten, wie den des Klägers. Denn der Verstoß gegen § 9 Absatz 3 StVO, wonach derjenige, der nach links abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen muss, ist besonders schwerwiegend.  Der Linksabbieger muss den Vorrang des Gegenverkehrs grundsätzlich auch dann beachten, wenn das auf der Gegenfahrbahn herannahende Fahrzeug bei „Gelb“ oder bei „frühem Rot“ in die Kreuzung einfährt. Nach Ansicht des BGH hebt selbst eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung des geradeaus Fahrenden dessen Vorrecht nicht auf. Die vom OLG ausgeurteilte Haftungsteilung zu je 50 Prozent konnte daher nach Ansicht des BGH keinen Bestand haben. Vielmehr ist mit dem BGH davon auszugehen, dass grundsätzlich den Linksabbieger, der das Vorrecht eines entgegenkommenden Geradeausfahrers zu beachten hat, die volle Haftung trifft.

BGH, Urteil vom 07.02.12 – VI ZR 133/11