Verkehrsrecht – Hinweispflicht des Unfallgeschädigten bei langer Inanspruchnahme eines Mietwagens

Das Landgericht Wiesbaden stellt in seinem kürzlich ergangenen Urteil klar, dass der Geschädigte im Rahmen seiner sogenannten Schadensminderungsobliegenheit den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung jedenfalls dann über die voraussichtlichen Mietwagenkosten informieren muss, wenn die Mietkosten betragsmäßig nahezu die Reparaturkosten erreichen oder sogar übersteigen.

In dem vom Landgericht entschiedenen Fall hatte der Kläger nach einem Unfall einen Mietwagen für 46 (!) Tage zu Mietwagenkosten von insgesamt 4.971,68 Euro angemietet.

Die beklagte Haftpflichtversicherung hielt lediglich die Erstattung von Mietwagenkosten für die gewöhnliche Reparaturdauer berechtigt und war daher außergerichtlich nur bereit, Mietwagenkosten für vier Tage zu erstatten. Der Kläger trug im Gerichtsverfahren vor, sein unfallbeschädigter Pkw sei bereits am Unfalltag zur Reparatur verbracht worden, weshalb er bereits ab dem Unfalltag einen Mietwagen benötigt habe. Außerdem sei es bei der Reparatur wegen eines nicht vorhersehbaren Lieferengpasses für benötigte Ersatzteile zu Verzögerungen gekommen.

Der Lieferengpass könne ihm, dem Kläger, nicht vorgeworfen werden. Vielmehr trage – nach ständiger Rechtsprechung – grundsätzlich der Schädiger  das sogenannte Werkstattrisiko. Daher seien ihm die Mietwagenkosten für die gesamte Reparaturdauer von 46 Tagen zu erstatten. Das Landgericht folgte der Argumentation des Klägers wie schon das zuvor mit dieser Sache befasste Amtsgericht nicht, sondern betonte die Schadensminderungspflicht des Klägers und wies die Klage ab.

LG Wiesbaden, Urteil vom 19. 7. 2012 – 9 S 18/12

Anmerkung:

Der Entscheidung des Landgerichts ist zuzustimmen. Grundsätzlich hat der Geschädigte zwar Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten für die objektiv notwendige Dauer der Fahrzeugreparatur bzw. Ersatzbeschaffung im Falle des Totalschadens. Auch trägt der Schädiger und demzufolge dessen Haftpflichtversicherung das sogenannte Prognose- oder Werkstattrisiko. Danach sind dem Geschädigten grundsätzlich Verzögerungen bei der Reparatur nicht zuzurechnen.

Das LG weist jedoch zutreffend darauf hin, dass der Schädiger im Rahmen seiner Schadensminderungsobliegenheit gleichwohl verpflichtet ist, den Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen. Hinsichtlich Mietwagenkosten bedeutet dies, dass der Geschädigte den Versicherer regelmäßig dann zu unterrichten hat, wenn abzusehen ist, dass besonders hohe Mietwagenkosten entstehen. Dies dürfte jedenfalls dann der Fall sein, wenn die zu erwartenden Mietwagenkosten betragsmäßig an die Reparaturkosten heranreichen oder diese gar zu übersteigen drohen.

Im Schadensrecht gilt nämlich grundsätzlich auch das sogenannte Wirtschaftlichkeitspostulat. Danach ist stets zu hinterfragen, ob ein wirtschaftlich denkender Mensch, der den Schaden aus eigener Tasche zu begleichen hätte, derartige Mietwagenkosten in Kauf nehmen würde. Dies wäre vorliegend sicher zu verneinen.

Daher ist es dem Geschädigten auch zumutbar, den Gegner rechtzeitig über die zu erwartenden – ausufernden – Mietwagenkosten zu informieren, damit der Schädiger zumindest die Möglichkeit hat, schadensmindernde Alternativvorschläge, wie zum Beispiel die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs, zu unterbreiten.