Arbeitsrecht – Sonderkündigungsschutz bei künstlicher Befruchtung

Nach einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) greift das Kündigungsverbot des § 9 Mutterschutzgesetz (MuSchG) im Falle einer Schwangerschaft aufgrund einer sogenannten In-vitro-Fertilisation (Befruchtung außerhalb des Körpers) ab dem Zeitpunkt der Einsetzung einer befruchteten Eizelle in die Gebärmutter (Embryonentransfer). Eine außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) ausgesprochene Kündigung ist wegen des Benachteiligungsverbots wegen Schwangerschaft (§§ 1, 3, 7 AAG) nichtig, wenn sie wegen der – beabsichtigten – Durchführung einer In-vitro-Fertilisation und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Schwangerschaft erklärt wird.

BAG, Urteil vom 26.03.15 – 2 AZR 237/14

Anmerkung:

Mit seinem Urteil hat das BAG Klarheit geschaffen, ab wann bei künstlicher Befruchtung das Kündigungsverbot bei Schwangerschaft greift. Gemäß § 9 MuSchG ist nämlich die Kündigung einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Nach Ansicht des Gerichts ist demnach bei In-vitro-Fertilisation von einer Schwangerschaft im Sinne des Gesetzes bereits dann auszugehen, wenn die befruchtete Eizelle in die Gebärmutter eingesetzt wird.

Die Entscheidung hat jedenfalls vor dem Hintergrund erhebliche praktische Relevanz, weil das Kündigungsverbot gemäß § 9 MuSchG jede Kündigung während der Schwangerschaft unzulässig werden lässt, also nicht nur die ordentliche befristete, sondern auch die außerordentlich fristlose Kündigung. Selbst die Kündigung während eines Probearbeitsverhältnisses ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Erweiternd stellt das BAG klar, dass sich sogar vor Eintritt der Schwangerschaft eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen des sogenannten Benachteiligungsverbots als nichtig erweist, allerdings nur, wenn sie – explizit – wegen der geplanten Schwangerschaft erklärt wird. Möglich bleibt in diesem Fall mithin eine Kündigung aus anderen Gründen.

Nach Eintritt der Schwangerschaft verbleibt dem Arbeitgeber, der sich von einer schwangeren Arbeitnehmerin trennen möchte, praktisch nur noch der Abschluss eines einvernehmlichen Aufhebungsvertrags. Zwar kann nach § 9 Abs. 3 S. 1 MuSchG ausnahmsweise in besonderen Fällen eine sogenannte behördliche Zulässigkeitserklärung für die beabsichtigte Kündigung eingeholt werden. In der Praxis wird dieser „besondere Fall“ allerdings nur äußerst selten angenommen, bei ganz außergewöhnlichen Umständen, wie etwa einer Betriebsschließung oder schweren Pflichtverstößen (Straftaten).

Demjenigen Arbeitgeber, der vorsorglich sicherstellen möchte, dass eine während der Probezeit eingetretene Schwangerschaft einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht entgegensteht, bleibt dringend anzuraten, für die Dauer der Probezeit einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. In diesem Fall endet das Arbeitsverhältnis nämlich auch bei zwischenzeitlicher Schwangerschaft schlichtweg mit Ablauf der Befristung.