Mietrecht – Keine „Vorratskündigung“ im Eigenbedarfsrecht

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 23.09.2015 für Recht befunden:

1. Ein – auf vernünftige, nachvollziehbare Gründe gestützter – Eigennutzungswunsch rechtfertigt die Kündigung des Mietverhältnisses nur dann, wenn er vom Vermieter auch ernsthaft verfolgt wird und bereits hinreichend bestimmt und konkretisiert ist. Eine bislang nur vage oder für einen späteren Zeitpunkt verfolgte Nutzungsabsicht rechtfertigt eine Eigenbedarfskündigung (noch) nicht.

2. Nach der Lebenserfahrung erscheint es, zumal wenn die Einlassungen des Vermieters gelegentlich seiner Anhörung vor Gericht „wortkarg“ ausfallen bzw. wenn er seinen Eigenbedarf nur „zaghaft“ vorbringt, wenig plausibel, wenn eine für seine persönlichen Lebensumstände weitreichende Entscheidung (hier: Aufgabe des von ihm angemieteten Einfamilienhauses in einer anderen Stadt und somit Verlust des bisherigen Lebensmittelpunkts zu Gunsten einer Drei-Zimmer-Wohnung; Umzug im Seniorenalter) auffällig kurzfristig gefasst worden sein soll und noch dazu just in einem Moment, in dem eine einvernehmliche Auflösung des Mietverhältnisses scheitert. Derlei Umstände können dafür sprechen, dass der vorgebrachte Nutzungswunsch des persönlichen Eigentums, selbst wenn er weiter über ein Zusammenwohnen mit der Familie eines Kindes und den Enkeln „unter einem Dach“ motiviert sein könnte, wenn nicht gar vorgeschoben, so doch zumindest noch nicht hinreichend bestimmt erscheint und folglich rechtlich nicht anerkannt werden kann. (Leitsatz 2 von der Redaktion der NJW)

BGH, Urteil vom 23.9.2015 – VIII ZR 297/14  – Quelle: NJW 2015, Heft 46, Seite 3368 ff

Anmerkung:

Die Entscheidung des BGH ist aus Sicht der Mieter erfreulich, kommt es in der Praxis doch allzu häufig vor, dass Vermieter – gerade nach eingehender anwaltlicher Beratung – die Eigenbedarfskündigung als letzte erfolgsversprechende Möglichkeit sehen, den unliebsamen Mieter los zu werden. Nachdem die höchstrichterliche Rechtsprechung für eine wirksame Eigenbedarfskündigung seit jeher formelhaft lediglich „vernünftige und nachvollziehbare Gründe“ für erforderlich, aber auch ausreichend erachtet, sind nicht selten „kreative“ Vermieter zu beobachten, die unvermittelt derartige Argumente vortragen, um die Mietwohnung gleichsam auf Vorrat für die nur möglicherweise und zudem oft erst zu einem viel späteren Zeitpunkt beabsichtigte Eigennutzung zurück zu erhalten. Wie der BGH in seiner aktuellen Entscheidung nun ausdrücklich klarstellt, ist das Postulat der „vernünftigen und nachvollziehbaren Gründe“ indessen keine leere Phrase, sondern müssen die angegebenen Kündigungsgründe auch in tatsächlicher und insbesondere zeitlicher Hinsicht eine dem Beweis zugängliche Intensität erreicht haben, wonach die Nutzungsabsicht bereits ernsthaft verfolgt und durch entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen auch konkretisiert ist. Eine bloße „Vorratskündigung“ ist mithin rechtlich nicht möglich.