Arbeitsrecht – Schriftformerfordernis bei „Turboklausel“

In einer für die anwaltliche Praxis bedeutsamen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 17.12.2015 entschieden:

  1. Ein Abwicklungsvertrag kann für den Arbeitnehmer die Möglichkeit vorsehen, sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu erklären. Eine solche Erklärung bedarf jedoch gemäß § BGB § 623 BGB zwingend der Schriftform.
  2. In einem Abwicklungsvertrag kann dem Arbeitnehmer das Recht zum vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eingeräumt werden. Bei einer solchen Regelung bedürfen beide Parteien des Schutzes der grundsätzlich nicht abdingbaren Mindestkündigungsfrist des § 622 Absatz 1 BGB nicht. Dies entspricht auch dem Rechtsgedanken des § 12 KSchG.
  3. Die Ausübung dieses vertraglichen Rechts zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt durch Abgabe einer Kündigungserklärung und unterfällt dem Formzwang des § BGB § 623 BGB.
  4. Eine per Telefax übermittelte Kündigungserklärung genügt nicht den Anforderungen des § 126 Absatz 1 BGB. Dabei ist unbeachtlich, dass nach Regelungen des Zivilprozessrechts die Übermittlung von Schriftstücken durch Telekopie ausreichend sein kann.

BAG, Urteil vom 17.12.2015 – Aktenzeichen 6 AZR 709/14

Anmerkung:

Der Entscheidung des BAG lag eine in der anwaltlichen Praxis durchaus häufig vorkommende Konstellation zugrunde. Im Rahmen einer Kündigungsschutzstreitigkeit hatten die Parteien einen Vergleich geschlossen, worin der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin im beiderseitigen Interesse anhand einer sogenannten Turboklausel das Recht eingeräumt hatte, das an sich noch längere Zeit bestehende Arbeitsverhältnis, einseitig mit einer kurzen Ankündigungsfrist von nur drei Tagen zu beenden. Die Arbeitnehmerin hat im weiteren Verlauf von dieser Turboklausel Gebrauch gemacht, dem Arbeitgeber indessen ihre Beendigungserklärung – nur – per Telefax übermittelt. Vor dem Arbeitsgericht stritten die Parteien anschließend darüber, ob die Beendigungserklärung Rechtswirksamkeit entfaltet hat. Das Arbeitsgericht hatte nun die Frage zu beantworten, ob eine im Rahmen einer Turboklausel zugestandene einseitige Beendigungserklärung zwingend der – gemäß § 623 BGB für Kündigungen und Auflösungsverträge geltenden – gesetzlichen Schriftform entsprechen muss und außerdem die Mindestkündigungsfrist des § 622 Absatz 1 BGB einzuhalten ist. Beide Rechtsfragen hat das Gericht wie eingangs zitiert beantwortet.

Mit seiner – rechtlich durchaus nachvollziehbaren und gesetzeskonformen – Entscheidung hat das BAG der anwaltlichen Praxis leider einen Bärendienst erwiesen. So erfreulich es ist, dass die Beendigungserklärung weiterhin keiner Mindestfrist bedarf und sich der Arbeitnehmer daher im Bedarfsfall auch kurzfristig von dem bestehenden Arbeitsverhältnis lösen kann (daher ja der Ausdruck „Turboklausel“), so bedauerlich erweist sich das nunmehr höchstrichterlich konsituierte Postulat der „klassischen“ Schriftform. Zwar mag für das BAG die mit der Schriftform zweifellos einhergehende Beweis- und Rechtssicherheit streiten. Gerade in der heutigen Zeit der vorwiegend elektronischen Korrespondenz wurden Turboklauseln indessen zunehmend praxisfreundlich dahingehend formuliert, dass die Beendigungserklärung des Arbeitnehmers sogar per E-Mail erfolgen kann. Aufgrund der vorliegenden Entscheidung des BAG muss die Praxis sich nun leider umstellen. Andernfalls läuft der Arbeitnehmer Gefahr, dass sich seine Beendigungserklärung als formunwirksam erweist, obschon die Parteien sich zuvor im Interesse einer einfachen und gegenwartsorientierten Handhabung vermeintlich darauf geeinigt hatten, auf die gesetzliche Schriftform zu verzichten.