Verkehrsrecht – Keine Schadensminderungspflicht bei Unfallfahrzeugverwertung

In seinem für die Praxis sehr bedeutenden Urteil vom 27.09.2016 hat der BGH nochmals klargestellt, dass der Unfallgeschädigte, der seinen Fahrzeugschaden durch Erwerb eines Ersatzfahrzeugs beheben und zuvor sein unfallbeschädigtes Fahrzeug veräußern will, dem sogenannten Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen bereits dann genüge leistet, wenn er sein Fahrzeug zu dem Preis verkauft, den ein von ihm zuvor beauftragter Sachverständiger in seinem Gutachten auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat. Der Geschädigte ist nach Auffassung des BGH weder nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot, noch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungsobligenheit verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus eine eigene Marktforschung zu betreiben.

Auch ist er nicht angehalten, bessere Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Insbesondere ist der Unfallgeschädigte nicht verpflichtet, dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzulegen.

BGH, Urteil vom 27.09.2016 – VI ZR 673/15

Anmerkung:

Das Urteil ist richtig und für den Unfallgeschädigten sehr erfreulich. Häufig wurde zuvor von Kritikern dahingehend argumentiert, die nunmehr bestätigte Rechtsprechung des BGH sei antiquiert, weil heutzutage ohne besondere Mühe im Internet bessere Preise erzielt werden können.

Wie der BGH in seinen Urteilsgründen aber zu Recht betont, muss und soll es dem Unfallgeschädigten weiterhin möglich sein, sein Fahrzeug bei seiner ihm vertrauten und ortsansässigen Vertragswerkstatt oder einem nahegelegenen Autohändler in Zahlung zu geben. Dies wäre ihm jedoch häufig verwehrt, sofern eine rechtliche Pflicht bestünde, die höheren Restwertangebote der spezialisierten und überregional organisierten Online-Restwertaufkäufer wahrzunehmen, welche obendrein häufig mit den Haftpflichtversicherungen kooperieren.

Vor diesem Hintergrund ist es mehr als begrüßenswert, dass der BGH sein Urteil außerdem zum Anlass genommen hat, klarzustellen, dass der Unfallgeschädigte vor dem Verkauf seines Unfallfahrzeugs nicht abwarten muss, ob möglicherweise die gegnerische Versicherung zuvor ein besseres Kaufangebot vorlegt.